Vor zahlreich erschienenen Gästen fand gestern in Düsseldorf ein DICO Talk des Arbeitskreises Kartellrecht statt. In den Räumen der Rechtsanwaltskanzlei Fieldfisher sprachen und diskutierten fünf renommierte Vertreterinnen und Vertreter aus Unternehmen, Kartellbehörden und Anwaltschaft zum Thema „Aktuelle Entwicklungen der kartellrechtlichen Compliance und ihre Auswirkungen auf den Bereich Kartellschadensersatz“.
Nach einer einleitenden Begrüßung durch Kim-Simone Janutta von der Otto Group gaben zunächst Prof. Dr. Daniela Seeliger und Kaan Gürer, beide Linklaters, ihre anwaltliche Sicht wieder. Aktuelle kartellrechtliche Fragestellungen, so Seeliger und Gürer, seien zunehmend komplexer geworden. Klassische Hardcore-Kartelle kämen heute seltener vor, der Fokus verschiebe sich immer mehr vor allem auf Fragen zulässiger Kooperationen, etwa im Bereich Nachhaltigkeit und Technologie / Innovation. Der kartellrechtliche Schulungsbedarf sei heute in vielfältigen Bereichen notwendig, während er früher vor allem im Einkauf und Vertrieb verortet war.
Im Anschluss gab Dr. Katrin Roesen, Bundeskartellamt, einige persönlichen Eindrücke zum Thema wieder. Es sei wichtig, auch künftig als Wettbewerbsbehörde wachsam zu sein und als Unternehmen in eine wirksame Kartellrechts-Compliance zu investieren. Denn obwohl insgesamt ein stärkeres Bewusstsein für Kartellrechts-Compliance erkennbar sei, bestünde die Gefahr illegaler Absprachen weiterhin. Trotz eines gewissen Rückgangs an Kronzeugenanträgen seit 2017 beruhten mehrere aktuelle Fälle des Bundeskartellamts wegen schwerwiegender illegaler Absprachen auf Kronzeugenanträgen oder Kooperationsbeiträgen von Unternehmen. Daneben verfüge das Bundeskartellamt auch über andere wichtige Erkenntnisquellen, insbesondere (anonyme) Hinweise von Insidern, Hinweise anderer Ermittlungsbehörden und öffentlich verfügbare Informationen. Mehrere laufende Bußgeldverfahren gingen auf Quellen außerhalb des Kronzeugenprogramms zurück. Compliance, betonte Roesen abschließend, dürfe kein Feigenblatt sein und müsse von der Unternehmensführung gelebt werden, um wirksam zu sein, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.
Dr. Thilo Reimers, Deutsche Bahn, sprach zu den aktuellen Entwicklungen der kartellrechtlichen Compliance aus Unternehmenssicht. Er betonte, dass der Rückgang klassischer Preiskartelle aus seiner Sicht vor allem auf die Compliance-Bemühungen der Unternehmen zurückzuführen sei. Aus Inhouse-Sicht würde die Grenze zwischen Compliance und Rechtsberatung immer fließender, z.B. bei der Beratung zu neuen Geschäftsmodellen, Kooperationen oder Vertriebsstrategien. Reimers bestätigte, dass Compliance-Schulungen heute in verschiedensten Unternehmensbereichen durchgeführt werden. Es sei anzunehmen, dass sie perspektivisch um Tools angereichert werden könnten, die künstliche Intelligenz einsetzen (z.B. bei der Fortentwicklung von E-Learings).
Abschließend sprach Dr. Alex Petrasincu, Hausfeld, aus der Sicht einer auf die Verfolgung kartellrechtlicher Schadenersatzansprüche spezialisierten Kanzlei. Aufgrund eines etablierten regulatorischen Rahmens, so Petrasincu, sei es mittlerweile die Regel, dass sich Unternehmen mit den Möglichkeiten kartellrechtlicher Schadenersatzverfolgung intensiv auseinandersetzten. Mit dem Rückgang klassischer (Preis-) Kartelle haben Litigation-Kanzleien ihren Tätigkeitsbereich um die Abwehr von Marktmachtmissbrauch erweitert. Kartellrechtliche Schadenersatzansprüche dürften Kronzeugenanträge in der Tat weniger attraktiv gemacht haben. Kronzeugen könnten aber perspektivisch in Schadenersatzverfahren privilegiert werden, z.B. indem sie im Innenausgleich von den übrigen Kartellanten Ersatz erhalten.
Im Anschluss folgte eine von Dr. Reto Batzel, MARCK, moderierte Paneldiskussion der Referentinnen und Referenten, die durch Kommentare und Fragen der Gäste ergänzt wurde.
Das DICO bedankt sich herzlich bei Fieldfisher für die Gastfreundschaft und bei den zahlreich erschienen Gästen für ihr Interesse und für ihre Beiträge!